Es gibt viele Worte, die uns guttun und uns aufbauen. Momente, in denen die Worte eines anderen uns berühren, können wichtig für unser Leben werden. Aber natürlich treffen uns auch Worte, die uns klein machen. Die Worte Jesu haben die Menschen niemals klein gemacht, sondern immer liebevoll aufgerichtet. Das setzt natürlich voraus, dass diese Menschen seinen Worten zuhören. Sie müssen offen im Herzen sein, um sie aufnehmen und ihre Bedeutung für den eigenen Lebensweg spüren zu können. Erst dann eröffnet sich auch die Möglichkeit, auf diese Worte zu vertrauen.

Die Seligpreisungen in der Bergpredigt bilden den Kern christlicher Nachfolge. Jesus waren sie so kostbar, dass er sie tief in den Herzen der Menschen einpflanzen wollte. Um den hohen Wert der Seligpreisungen hervorzuheben, hat der Evangelist Matthäus Jesus zu ihrer Verkündigung auf einen Berg gestellt. Jesus geht Gott entgegen und wir können seine Worte in unsere Herzen aufnehmen, wenn wir Gott ebenfalls entgegengehen. Dem damaligen Weltbild zufolge war die Erde eine Scheibe. Unter ihr warte alles Schlechte auf den Menschen; über ihr sei das Göttliche zu Haus. Auf einem Berg sind wir Gott, bildlich gesprochen, somit ganz nah. Wir können dort in der Stille allein mit ihm sein. Wenn ich das Hochgebet mit der Präfation eröffne, spreche ich immer die Worte: „Empor die Herzen!“. Damit möchte ich Sie dazu einladen, Ihre Herzen Gott entgegenzuhalten und sich dem Himmlischen zu öffnen. In dieser Haltung finden die Seligpreisungen einen Weg, in die Tiefe Ihrer Herzen zu gelangen und dort Leben zu stiften.

Das Entscheidende an diesen Worten Jesu ist, dass sie nicht moralisch gemeint waren. So hat die Kirche sie später nur interpretiert, um sie den Menschen unter Zwang aufzudrängen. Vielmehr sind die Seligpreisungen die große, wunderbare und ergreifende Ouvertüre zu der Symphonie, die Jesu Worte im Ganzen darstellen. Er ist als Gott der Liebe den Menschen in Barmherzigkeit begegnet und hat sie eingeladen, diese Liebe für das eigene Leben zu übernehmen. Jesus wollte, dass der Glaube die Menschen befreit und sie zu Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit führt. Sie sollen Verantwortung für ihr Sein und ihr Tun übernehmen, selbst wenn es unbequem wird. Natürlich war Jesus sich der Schwierigkeit bewusst. Die Mächtigen seiner Zeit wollten die Wahrheit nicht hören und die Kleinen hatten Angst, sie offen auszusprechen, selbst wenn sie eigentlich hinter ihr standen. Das hat sich bis heute nicht verändert. Den Seligpreisungen in letzter Konsequenz zu folgen, kostet viel Mut.

„Selig, die arm sind vor Gott“, hören wir im Matthäusevangelium von Jesus als erstes. Lukas hingegen beginnt mit den Worten „Selig, ihr Armen“. Er redet zu den Jüngern und möchte sie daran erinnern, dass es ihnen selbst materiell vielleicht nicht schlecht geht und dass sie sich gerade daher um diejenigen sorgen sollen, bei denen es materiell nicht so gut aussieht. Lukas schreibt dies vor dem Hintergrund der Situation in den ersten Gemeinden. Diese waren Gütergemeinschaften. Wenn Witwen ihre Kinder nicht versorgen konnten, wurden Diakone, d.h. Tischdiener, zu ihnen geschickt, um ihnen Brot zu übergeben. Für Lukas war der Glaube nur dann christlich, wenn materieller Armut mit solchen Akten der Barmherzigkeit und Liebe begegnet wurde. Das war natürlich ein Umsturz der damaligen Gesellschaft. Die Mächtigen waren der Überzeugung, von Gott auserwählt worden zu sein. Während sie ihre herausgestellte Position verdient haben, waren die Armen und Schwachen in den Augen der Mächtigen selbst schuld an ihrer misslichen Lage. Sie werden wohl für ihre Sünden bestraft und also geschieht es ihnen recht – so die Sicht.

Die Formulierung, die Matthäus gewählt hat, hebt die Armut auf eine geistliche Ebene. Die Jünger – und wir Menschen im Allgemeinen – sollen uns daran erinnern, dass wir armselig sind. Wir sind begrenzte Wesen und dürfen unsere Grenzen nicht zudecken. Wenn wir lieblos und überheblich sind, uns also über andere erheben, sollten wir uns unserer eigenen Armseligkeit erinnern.

Selbst unser Drang nach Perfektionismus ist ein Zeichen unserer Armseligkeit. Wenn Menschen nicht in der Lage sind, zu ihren Grenzen zu stehen, werden sie hart gegen sich selbst und andere. Der ausgeübte Druck kann andere Menschen, die dem eigenen Standard nicht genügen, klein machen. Die erste Seligpreisung erinnert uns daran, dass unsere Armseligkeiten uns menschlich machen. Das bedeutet in der Folge natürlich nicht, dass der Mensch sich aufgrund seiner Armseligkeit selbst ablehnen soll. Vielmehr eröffnet die Erkenntnis der eigenen Grenzen auch die Einsicht, dass wir sowohl andere Menschen als auch Gott brauchen. Wie erleichternd und wohltuend kann es dann sein, von Gott zu hören, dass gerade wir Armseligen selig sind!

Am Ende seines Lebens hat selbst Jesus seine eigene Armseligkeit gespürt. Darum ist er in den Garten Gethsemane gegangen, um seine Armseligkeit vor Gott zu tragen. Er hat darauf vertraut, dass sein Vater ihn annimmt und umarmt. Gott kennt die Armseligkeit all seiner Geschöpfe und möchte sie mit seiner Liebe ummanteln. Wenn wir unser Leben wahrhaftig vor ihm ausbreiten, kann diese Liebe wirken. Wir sind daher eingeladen, Gott unser Leben zu überlassen. Er macht uns selig und schenkt uns dadurch die heilsame Freude des Lebens.

Fürbitten:

Herr, Jesus Christus, wie kein anderer hast Du das Heil in Dir. Du hast dieses Heil zu den Menschen gebracht und in sie hineingelegt. Dadurch wurden wir Menschen geheiligt. Wir beten:

– Mache uns bereit, das Heil Gottes, das reine Liebe ist, anzunehmen und daraus zu leben.

– Lass uns unsere Armseligkeiten erkennen und annehmen, um sie von Dir verwandeln zu lassen.

– Du, Christus, hast immer auf das Leben der Kleinen und Schwachen geschaut. Schenke auch uns diesen Blick, damit wir die Kleinen groß machen.

– Am Ende unseres Lebens erwartet uns Dein Heil in seiner ganzen Fülle. Schenke uns Vertrauen in diese Botschaft und in Deine endlose Liebe.

Denn Du bist der Heiland der Welt. Dir vertrauen wir heute und in Ewigkeit. Amen.

Armseligkeit – Die Seligpreisungen

Allerheiligen 2022

Mt 5,1-12a

Euer / Ihr Pastor

Thomas Laufmöller

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