Die Art, den Glauben im Vorbild Jesu Christi zu leben, findet in Anlehnung an die jüdische Frömmigkeit statt. Darum hören wir am Aschermittwoch, was Frömmigkeit in der Antike bedeutet hat, und fragen uns, wie dies den geistlichen Weg heutiger Menschen beeinflussen kann.

Ein wichtiges Element damaliger Frömmigkeit war das Almosengeben. Dadurch haben die Menschen an der Not der Anderen teilgenommen. Das zweite Element der jüdischen Frömmigkeit war das Gebet. Darum steht das Vaterunser im Matthäus-Evangelium im Mittelpunkt des jesuanischen Auftretens: in der Bergpredigt. Im Fasten finden wir das dritte Element der Frömmigkeit jener Zeit. Was ist das Wesen des Fastens?

Übersetzt man biblische Traditionen in die heutige Zeit, so muss man von der damaligen Zeit und vom damaligen Ort ausgehen. Das Fastenverständnis hat sich in der Zwischenzeit nämlich verändert. Der orientalische Mensch lebte in Einfachheit. Mit Ausnahme des königlichen Hofes gab es wenig zu essen. Heute wird das Fasten eher aus figürlichen oder kosmetischen Gründen motiviert. Warum hat man damals gefastet?

Wenn ein Mensch in Not ist, hat er oftmals keinen Appetit. Die orientalischen Menschen trugen ihre Not nach außen, indem sie gefastet haben. Heute wird das eher durch Trauerkleidung ausgedrückt. Mit ihr möchte ein Mensch sagen, dass er gerade eine schwere Zeit durchmacht. Sie ist gleichzeitig eine Bitte, behutsam mit diesem Menschen umzugehen. Gleiches haben die damaligen Menschen durch das Fasten erreicht. Man sah ihnen die Not im Gesicht an und auf diese Weise haben sie andere daran teilnehmen lassen.

Für Mahatma Gandhi war das Fasten hingegen ein bewusstes Zeichen von Ohnmacht und Widerstand. Er sah die Gewalt in seinem Land durch die koloniale Macht der Engländer aus den Fugen geraten. Um einen gewaltlosen Weg des Friedens zu finden, hat er gefastet.

Aus religiösen Gründen hat man im Judentum gefastet, damit dem Menschen das Angesicht Gottes vor Augen geführt wird. Das Fasten ließ ihn tiefer in das Geheimnis des Glaubens eintauchen. Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein, also nicht nur von der natürlichen und materiellen Nahrung. Ich mag das Lied „Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr“ sehr gern. Wovon bin ich angefüllt? Was füllt mein Leben aus? Ist noch Platz für Gott oder muss ich mich erst leeren, um das Geheimnis Gottes in mir spüren zu können? Fasten lässt eine Weite im Menschen entstehen, die auf das eigene Innere bezogen werden kann. Ich konzentriere mich anders, bin aufmerksamer und fokussierter. So viele Dinge bestimmen mein Leben und ich verliere Übersicht und Aufmerksamkeit. Wie kann ich in meine eigene Wahrheit hineinschauen? Wer bin ich und was zeichnet mich aus? Bin ich, wer ich sein möchte? Oder bin ich fremdbestimmt von anderen Menschen? Sollte ich nicht eher Gott fragen, was er dazu denkt, wie ich lebe und handele? Im Johannes-Evangelium sagt Jesus Christus: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Sollten wir dem nicht den Satz „Ich bin die Liebe“ vorschalten? Wer diese Liebe im eigenen Inneren sucht und nach ihr lebt, findet den Weg, die Wahrheit und zu sich selbst.

Was hat die Kirche aus dem Fasten gemacht? Freitags Fleisch zu essen, war bis vor kurzem eine Todsünde. Aus den tiefen Gedanken, die eigentlich hinter dem Fasten stehen, wurde etwas Primitives gemacht, das weit weg von der ursprünglichen Bedeutung ist.

Im Englischen gibt es das Verb „to fasten“. Es bedeutet, „festmachen“. Wer fastet, eröffnet sich die Gelegenheit, sich an Gott festzumachen, sich dadurch an die eigene Wahrheit zu haften und auf diese Weise Lebenskraft zu spüren. Darin besteht der tiefste Sinn des Menschen. Durch das Fasten kann ich in meine eigene Tiefe hineinschauen, wo meine Seele ist und wo Gott ist. Wenn ich da hineintauche, finde ich zu meiner eigenen Wahrhaftigkeit.

In meinem Fastenkalender lese ich folgende Worte von Henry Stanley Haskins: „Was vor uns liegt und was hinter uns liegt, ist nichts im Vergleich zu dem, was in uns liegt. Wenn wir das, was in uns liegt, nach außen in die Welt tragen, geschehen Wunder.“ Machen wir uns auf den Weg, in dieser Fastenzeit in uns hineinzuschauen, unsere eigene Wahrhaftigkeit zu entdecken und so auf die Menschen zuzugehen, dass Gott sagen würde: „Das ist ein Fasten, wie ich es liebe“.

Euer / Ihr Pastor

Thomas Laufmöller

Das ist ein Fasten, wie ich es liebe

Aschermittwoch
Mt 6,1-6. 16-18
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