Wir feiern heute den Dreifaltigkeitssonntag. Die Ostkirche spricht nicht wie wir von ‚Dreifaltigkeit‘, sondern von ‚Dreieinigkeit‘. Beides zusammen genommen macht das Geheimnis des heutigen Festes aus. Während des Studiums habe ich sehr abstrakte Abhandlungen über die Trinität gehört. Wie wirken Vater, Sohn und Heiliger Geist zusammen? Steht der Sohn auf derselben Stufe wie der Vater? Welche Rolle kommt dem Heiligen Geist zu? Entscheidend ist aber nicht nur die theologische Auseinandersetzung, sondern die Frage, was ein solches Fest uns für unseren Glauben und unseren Glaubensweg geben kann und wie wir davon im Herzen berührt werden können.

Schauen wir uns den Begriff der Ostkirche näher an, so können wir daraus erkennen, dass es sich bei der Dreieinigkeit um ein Wesen handelt, das sich in drei Personen manifestiert. Vater, Sohn und Heiliger Geist gehören zusammen. Darum beten wir im Glaubensbekenntnis, dass der Sohn gezeugt und nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater ist. Das bedeutet, dass der Sohn nicht wie der Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt erschaffen wurde, sondern dass die Liebe Gottes schon immer im Vater und im Sohn war – vor aller Zeit. Wenn die Westkirche von ‚Dreifaltigkeit‘ spricht, möchte sie deutlich machen, dass diese göttliche Liebe sich in unterschiedlichen Momenten im menschlichen Leben entfaltet.

Diese Liebe entfaltet sich auf verschiedene Weise durch die drei Personen dieser Dreifaltigkeit. Unter ‚Personen‘ dürfen wir nicht unseren menschlichen Personenbegriff verstehen, so als seien es drei Gestalten oder Figuren, wie z.B. das Personal in einem Bäckerladen. Der lateinische Begriff ‚persona‘ meint nicht die äußere Gestalt, sondern das innere Wesen, die Identität, die Wahrhaftigkeit eines Menschen. Die lateinische Verbform ‚personare‘ hängt eng mit dem Verb ‚tonare‘ zusammen, das ‚klingen‘ bzw. ‚tönen‘ bedeutet. Bei den drei ‚personae‘ der Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit muss der Blick auf das gerichtet werden, was aus ihnen herausklingt. Das Innere Gottes kommt zum Vorschein.

Gott offenbart sein Personsein zuallererst in der Schöpfung. In ihr können wir erkennen, dass Gott mit seiner ganzen Kraft gewirkt hat. Das Wunderbare des Werdens und Vergehens, des immer wieder Aufstehens trägt eine innere Schönheit in sich und ist ein großes Geheimnis für uns. So ist der Schöpfungshymnus im Buch Genesis auch kein naturwissenschaftlicher Bericht, kein Gegenbild zu Urknall und Evolution, sondern ein Lied, ein Hymnus – ein Liebeslied über die Schöpfung. Lassen wir seine Worte in uns klingen, so spüren wir die Liebe, die Gott in unsere Welt hineingelegt hat. Dieses Loblied umfasst sieben Strophen der Liebe und möchte besingen, wie sehr die Schöpfung von der Liebe Gottes beseelt ist. „Gott ist nur Liebe“, so singen wir in einem Taizé-Lied. Wie viel Kraft und Zuversicht kann ein solches Verständnis uns schenken!

 

Von Jesus von Nazareth glauben wir, dass er der ‚Sohn Gottes‘ ist, also die zweite ‚persona‘ der Dreifaltigkeit. Diese Aussage über Jesus ist nicht biologisch zu verstehen, sondern ein Würde-Titel. Gott ist und bleibt ein Geheimnis. Für uns Christen bildet Jesus Christus eine Brücke zu diesem absoluten Geheimnis. Kein Mensch hat Gott je gesehen oder erkannt. Um den Menschen sein Angesicht zu zeigen, ist Gott selbst als Mensch in diese Welt hineingekommen. Die konkrete äußere Gestalt, die er in Jesus dabei angenommen hat, spielt dabei eine zweitrangige Rolle. Entscheidend ist, was aus Jesus heraustönt. Schauen wir auf sein Leben, so sehen wir, dass nur Liebe, Zuwendung und Gerechtigkeit gepaart mit Barmherzigkeit aus ihm herausklingen. Jesus hat für Gott gelebt und wollte dessen Liebe zu den Menschen bringen. Er war uns zum Greifen nahe. Gott ist in Jesus Christus ‚in unsere Haut gegangen‘. Seitdem liegt es an uns, ob Gottes Liebe uns unter die Haut geht. Berührt uns, was Jesus verkündet und gelebt hat? Berührt uns die klingende Liebe, die er in unsere Welt hineingelegt hat?

Gott ist Jesus zufolge wie ein liebender Vater – man könnte genauso gut sagen: wie eine liebende Mutter. Dadurch hat Gott uns sein Wesen offenbart. Können wir das annehmen? Können wir das, was Jesus vorgelebt hat, nachleben? Wenn wir unser Leben auf Gott ausrichten, dann leben wir auf ein Ziel hin, blicken wir zum Himmel und finden darin in jedem schweren Moment einen Halt. Die Liebe Gottes, des Vaters, geht mit uns, fühlt und leidet mit uns, trägt uns und ist auch in den Freuden unseres Lebens erfahrbar – so wie Christus es uns versprochen hat.

Die dritte ‚persona‘ der Dreifaltigkeit ist der Heilige Geist. Im Buch Genesis lesen wir, dass der Geist Gottes über dem Wasser schwebt. Im Hebräischen steht hier das Wort ‚ruach‘. Gott hat diese Welt vom Ursprung her mit seinem Geist beseelt. Auch der Heilige Geist ist klingende Liebe. Er schenkt unserem Leben Kraft und Zuversicht, er schenkt uns Inspiration für unser Leben. Die Gaben des Geistes, von denen wir im ersten Korintherbrief von Paulus lesen, sollen uns Kraft und Be-geist-erung für den Alltag geben. Mit Jesus schenkt der Heilige Geist uns die Hoffnung, dass die Liebe stärker als der Tod ist. Aus diesem Geist heraus dürfen wir leben. An ihm dürfen wir uns festhalten.

Trotz allem, was ich Ihnen nun versucht habe, über die Dreifaltigkeit nahezubringen, dürfen wir nicht vergessen, dass sie in ihrer Tiefe ein Mysterium ist und bleibt. So bleibt auch der Glaube ein Geheimnis. Früher wurde im Gottesdienst das sogenannte ‚mysterium fidei‘ gebetet, unser ‚Geheimnis des Glaubens‘. Würden wir nun versuchen, dieses Geheimnis zu entschlüsseln, würden wir es dabei verlieren. Alles würden wir dadurch finden, nur nicht Gott. Statt es zu verstehen, sollte es uns vielmehr darum gehen, das Geheimnis durch Innerlichkeit zu leben. Wir dürfen uns dem Geheimnis Gottes von Innen her öffnen und es auf uns wirken lassen. Wenn wir bei uns selbst sind, statt uns zu verlieren, wenn wir nah am Leben sind, statt unsere Aufmerksamkeit von äußerlichen Dingen ablenken zu lassen, dann kann diese Öffnung gelingen. Eine Hilfe beim Eintauchen in die Geheimnisse des Glaubens kann uns hier die Poesie sein. Damit ist nicht allein das dichterische Wort gemeint, sondern auch die Musik, Bilder, Gestaltung, ein Kirchenraum, ein sensibles Wahrnehmen von Kunst im Allgemeinen. Letztlich ist auch die Bibel nichts anderes als tiefe Poesie.

Zwei meiner Schüler haben mir über das Kreuzzeichen einen besonderen Zugang zur Dreifaltigkeit geschenkt. „Lege ich meine Hand auf die Stirn, so denke ich: ‚Gott ist über mir‘; lege ich sie auf die Brust, so denke ich: ‚Gott ist in mir‘; lege ich sie auf die Schultern, so denke ich: ‚Gott ist neben mir‘“, sagte einer der Schüler. Der andere Schüler denkt bei jedem Kreuzzeichen: „Gott segne meinen Verstand – Gott segne mein Herz – damit ich die Menschen links und rechts von mir nicht vergesse“. So tief und inwendig kann die Bedeutung der Dreifaltigkeit für uns sein. Wenn wir selbst das Kreuzzeichen machen, so wünsche ich uns, dass wir spüren, wie viel Liebe, wie viel Tiefe und wie viel Zuneigung Gott uns immer wieder schenkt.

Gott ist da! – Gedanken zur Dreieinigkeit / Dreifaltigkeit

Dreifaltigkeitssonntag

Joh 16,12-15

Euer / Ihr Pastor

Thomas Laufmöller

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