Ein Mensch, mit dem ich rede, mit dem ich mich verstehe, ist eine Quelle für mich – eine Quelle, die für mich sprudelt, wenn ich verzweifelt und verloren bin. Mit dieser Quelle fließe ich im Strom zum neuen Land. – Das ist aber nicht immer so. Manche Menschen, mit denen ich rede, stärken mich und andere schwächen mich. Woran liegt das?

Wenn mir ein Mensch zugeneigt ist und mich annimmt, wie ich bin – solange ich dabei keinem anderen schade –, dann stärkt dieser Mensch mich. Selbst wenn er mich darauf hinweist, dass mein Verhalten mich und andere nicht zum Leben führt, stärkt er mich. Nimmt er mein Wesen hingegen nicht an – die Art, wie ich aussehe, rede, welche Musik ich mag, was ich anziehe und wie ich mein Zimmer gestaltet habe –, dann schwächt dieser Mensch mich. Wie wichtig ist also jemand, der aus meinem Wesen, meinen Anlagen und Fähigkeiten etwas Großes und Gutes macht, weil er mein Leben und meine Wahrhaftigkeit sieht und beides zulassen kann. Er ist mir in liebevoller Weise zugeneigt und sein Wort stärkt mich und richtet mich auf.

Das bedeutet natürlich nicht, dass er mich nicht kritisieren darf. Habe ich Abgründe, so sollte er mich auch darauf hinweisen. Manche lehnen Kritik ab, weil sie Streit schafft. Aber ohne Kritik gibt es keine Entwicklung, keine menschliche Reifung. Wenn ich ganz ehrlich mit mir bin, weiß ich, dass ich Kritik nötig habe. Ich spüre, wenn etwas in mir und durch mich nicht vernünftig läuft. Habe ich diese Einsicht, verstehe ich, dass der Andere mich mit seiner Kritik vor dem Abgrund bewahren möchte.

Nicht nur im Leben eines Menschen ist Kritik wichtig. Sie ist entscheidend für die Demokratie. Nur durch Kritik kommt die Menschheit weiter. Kritik ist außerdem entscheidend für die Kirche, auch wenn sie sich schon immer schwer damit getan hat. Bischof Stecher sagt, man solle auf Menschen hören, die um die Kirche besorgt sind. Sie sind nah an der Gemeinschaft dran und setzen Impulse. Es ist ihnen ein Anliegen, dass es in der Kirche und mit der Kirche gut weitergeht. Kritik ist von ihr aber oft als Häresie interpretiert worden und davor hatte die Kirche stets Angst. Denn Häresien können zu einer Trennung von der Kirche führen – so die Befürchtung. Dabei wird eine Trennung eher dadurch angestoßen, dass die Kirche keine Kritik zulässt oder annimmt. Sowohl in der Kirche als auch im Leben braucht es Kritik, damit eine Entwicklung und Erweiterung des Lebens stattfinden kann. Dadurch wird das Leben gestärkt.

Natürlich gibt es unter den Menschen die ewigen Nörgler, die dem Anderen persönlich etwas wollen, ihn kränken und kleinmachen möchten. Neid spielt hier eine große Rolle. Manchmal liegt bei Nörglern aber auch ein einfaches psychologisches Prinzip zugrunde. Sie fühlen sich mit sich selbst nicht gut, wurden vielleicht verletzt. Diese Verletzung geben sie weiter. Das schadet besonders denjenigen, die sowieso bereits unsicher im Selbstbild und in Beziehungen sind. Sie fühlen sich durch diese Verletzungen noch kleiner und werden es seltener wagen, Beziehungen einzugehen.

Wie soll ich mit Menschen umgehen, die mich schwächen? Besonders schwierig wird es, wenn es um Menschen geht, die lange in meinem Leben sind und mit denen ich gut gelebt habe. Ein Bruch tut dann weh. Aber manchmal ist es unumgänglich, sich von diesen Menschen zu lösen. Sind die Menschen, die mich schwächen, nicht so nah an meinem Leben dran, fällt es leichter, den Schritt der Ablösung zu gehen. Ich habe nur dieses eine Leben und es ist kostbar.
Darum ist es wichtig, dass ich meine Zeit vor allem mit denjenigen verbringe, die mir gut tun. Es ist außerdem entscheidend, dass ich meine Liebe im Herzen nicht verliere. Nena singt in ihrem Lied „In meinem Leben“, dass sie manche Menschen liebt und von manchen Menschen geliebt wird. Aber „die, die mich nicht lieben, die vermiss ich nicht“, bemerkt sie. Den eigenen Weg geht man mit Menschen, die einen lieben. Die Liebe ist entscheidend und stärkend. Es geht also in meinem Leben darum, Menschen zu suchen, die diese Liebe in meinem Herzen füllen und mich außerdem in Glaube und Hoffnung stärken. Das Wichtigste darf niemals verloren gehen.

Wie kann ich dieser Liebe nachspüren? Hier sind wir in der Mitte des heutigen Evangeliums. Jesus nimmt drei seiner Jünger mit auf einen Berg. Bildlich verstanden, lässt er das Irdische zurück und geht himmelwärts. Um die Liebe zu erkunden, ist es notwendig, das Irdische hinter sich zu lassen und sich dem Himmel zu öffnen. Das ermöglicht wunderbare Erfahrungen. Für Petrus ist die Erfahrung so unfassbar und besonders, dass er sofort drei Hütten bauen möchte. Das bedeutet, dass man wichtige Erlebnisse, insbesondere Glaubenserlebnisse, ins eigene Herz packen soll, um sie dort für das gesamte Leben zu bewahren. Manche Erschütterungen und Lieblosigkeiten im Leben können dadurch aufgefangen werden.

Aber nicht nur Petrus wird gestärkt. Auch Jesus selbst wird aufgerichtet, und zwar durch den Vater. Dieser lässt Mose und Elija, also die zwei wichtigsten Propheten des Judentums, mit Jesus reden. Der Vater hebt Jesus in diese Bedeutung hinein. Zwar kannten sowohl Mose als auch Elija die Tiefen des Lebens und des Glaubens. Elija wollte alles aufgeben, weil er keinen Zuspruch mehr bekommen hat. Mose musste damit fertig werden, dass die Israeliten in den Götzendienst zurückgefallen sind, mit seiner Leitung unzufrieden waren und gegen ihn revoltierten. Doch niemals haben die beiden die Liebe zu Gott verloren und sind trotz aller Rückschläge auf dem Weg zu ihm geblieben. Bis zuletzt hatten sie Vertrauen in ihn. In diesen Zusammenhang wird Jesus nun gesetzt. Und dann öffnet sich der Himmel und Gott bekennt sich zu Jesus als seinem geliebten Sohn. Dieses Wort muss ihm viel Kraft gegeben und bis zum Kreuz getragen haben. Ich habe dieses Bekenntnis Gottes auch immer auf mich selbst bezogen. Wir sind alle Gotteskinder und von ihm geliebt. Die Stimme in uns, die uns das mitteilt, dürfen wir daher niemals verlieren – die Stimme, die uns versichert, dass wir geliebt, gehalten und gestärkt sind.

Wenn ich an meine eigene Geschichte denke und an die Menschen, die mich gestärkt haben, so fällt mir als erstes mein Spiritual Johannes Bours ein. Seine ermutigende Stimme, dass ich in Freiburg zu Ende studieren soll und nicht sofort zurück ins Priesterseminar nach Münster kommen soll, hat mich auf meinen Weg geführt. Eine zweite stärkende Stimme ist Franz Kamphaus, dessen Worte mich immer wieder entscheidend leiten. So sagt er, dass wir bei all den Gemeindefusionen der letzten Jahre die Seelen der Seelsorger vergessen haben. Sie sind durch die Fusionen oft nicht mehr an der konkreten Seelsorge beteiligt, sondern regeln sie vom Schreibtisch aus. Es ist auf den ersten Blick einsichtig, dass dies die Berufung von Seelsorgern unterminiert und sie schwächt. Umso stärkender, dass ein emeritierter Bischof wie Franz Kamphaus das erkannt hat.

Ich wünsche uns, dass wir immer Menschen treffen, die uns ermutigen, ohne Furcht unseren Weg zu gehen – im Vertrauen darauf, dass Gottes Liebe längst bei uns ist und er unseren Weg mit uns geht. In den Worten von Felix Mendelssohn-Bartholdy: „Fürchte dich nicht, spricht unser Gott, fürchte dich nicht, ich bin mit dir, ich helfe dir! Denn ich bin der Herr, dein Gott, der zu dir spricht: Fürchte dich nicht! Ob tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen.“ Dies ist eine Zusage, die wahrhaft stärkend wirkt.

Euer / Ihr Pastor

Thomas Laufmöller

Kraft-Quellen

2. Fastensonntag

Mk 9,2-10

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