Unterwegs im Leben sein – so lautet unser Weihnachtsthema. Vor Kurzem traf ich einen Seelsorger, der regelmäßig mit der Bahn fährt. Für ihn ist das eine pastorale Aufgabe. Er fährt von Nord nach Süd, von Süd nach Nord und von Ost nach West. Er fährt nicht, weil er irgendwohin will, sondern er möchte den Menschen in dieser Zeit begegnen. Er schenkt ihnen Zeit, er schenkt ihnen ein Wort. Er ist unterwegs. Er ist auf dem Weg und findet Menschen unterschiedlicher Art vor. Es gibt Menschen, die offen sind für die Begegnung, die sich freuen, wenn sie angesprochen werden. Manchmal kommt es zu tiefen und intensiven Gesprächen mit Menschen, die er vorher gar nicht gekannt hat. Mit ihnen erlebt er, wie sein eigenes Leben durch einen anderen Menschen bereichert werden kann. Auf der anderen Seite macht dieser Seelsorger auch die Erfahrung, dass Menschen mit Kopfhörern im Zug sitzen oder Menschen, die mit ihrem Handy daddeln. Sie sind verschlossen und möchten für sich sein.

Unterwegs sein – das ist ein Lebensthema. Unterwegs sind wir alle. Wen nehmen wir mit? Wen brauchen wir für unser Menschsein? Als erstes brauchen wir sicherlich den geliebten Menschen. Er ist der Mensch, der unser Herz erfüllt. Wir brauchen einen Menschen, der uns wirklich zuhört, mit dem wir einen Dialog auf gleicher Augenhöhe führen können. Einen Menschen, der uns ermutigt und uns gleichzeitig auf unsere Grenzen hinweist. Einen Menschen, der da ist, wenn wir ihn brauchen. Einen Menschen, der uns hilft. So einen Menschen brauchen wir alle unterwegs auf unserem Lebensweg.

Dann gibt es Menschen, die auf einmal zu uns stoßen oder die wir nur ab und zu antreffen. Auch sie hat Gott uns geschenkt. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, bei denen man merkt, dass die Chemie nicht so gut stimmt. Hier ist es unterwegs nicht weniger wichtig, miteinander einen Weg zu finden – einen Weg der Akzeptanz und des Respektes.

Unterwegs durch das Leben sind wir auch mit den Tieren. Wenn ich beispielsweise beobachte, wie sorgsam die Schüler der Friedensschule den Schulzoo betreuen, spüre ich, wie viel die Tiere den Menschen bedeuten und dass sie wunderbare Wegbegleiter des Lebens sein können. Wie gern verbringe ich selbst die Zeit mit meinem Hund. Wie sehr spüre ich, dass er eng an meiner Seite ist, mich begleitet und stärkt. Zu Weihnachten hat Rainer Hagencord, der das Institut für theologische Zoologie leitet, mir eine Nachricht geschickt: die Schlachthöfe haben an Weihnachten Hochkonjunktur. Er stellt sich die Frage, wie wir mit diesen Wegbegleitern unseres Lebens umgehen – mit den Tieren, die Gott uns anvertraut hat.

Nun feiern wir Weihnachten. Gott hat einen Platz in dieser Welt eingenommen. Diesen Platz möchte er uns nah an unserer Seite schenken. Vor mehr als 2000 Jahren wurde Jesus Christus geboren. Er ist der Sohn Gottes. Er ist die Liebe Gottes und hat diese Liebe einmalig in diese Welt hineingelegt. Es ist entscheidend, ob wir ihm Raum schenken, ob wir ihm einen Platz auf unserem Lebensweg, auf unserem Unterwegssein geben. Wie viel Raum bekommt er, der im Heiligen Geist zwar verborgen, aber doch wirksam mit uns durch die Zeit geht? Unterwegs sein in der Liebe Jesu Christi heißt auch immer, uns selbst zurückzunehmen und ihm Raum zu geben – durch das Gebet, durch die Gottesdienste, durch die eigenen Momente der Stille –, um ihn wirken zu lassen.

Welche Botschaft hat Jesus Christus uns geschenkt? Schaut man in die Weihnachtsgeschichte des Lukas hinein, steht am Anfang die Volkszählung. Sie ist ein Bild für die damaligen Mächtigen. Man macht eine Volkszählung, um Steuern einzutreiben, also um Geld zu bekommen, durch das man die eigene Macht erweitern kann – um Geld einzutreiben, das das große Imperium Romanum aufrechterhält. Die Volkszählung ist ein Bild dafür, wie man Menschen beherrscht und sie kleinmacht. Auch wenn sie wahrscheinlich vier Jahre vor der Geburt Jesu stattfand, hat Lukas sie bewusst hineingeschrieben, um deutlich zu machen, dass derjenige, der nun in die Welt kommt, einen ganz anderen Weg nehmen wird. Er wird nicht den Weg der Macht, sondern der Ohnmacht gehen.  Er wird nicht den Weg des Herrschens, sondern der Barmherzigkeit gehen. Er wird einen Weg gehen, auf dem er Menschen aufrichtet und stärkt. Indem Lukas das Imperium Romanum dagegen stellt, lenkt er die Aufmerksamkeit auf den ganz anderen Weg des Kyrios.

Gott kommt in Jesus Christus in einem Kind. Ein Kind ist ein Bild für einen ganz neuen Anfang, für etwas Unverbrauchtes, für etwas Reines, für etwas Wunderbares. Das Bild eines Kindes motiviert uns als Leser, uns an unsere eigene Kindheit zu erinnern. Dort war die ganze Liebe Gottes in uns. Was ist im Laufe des Lebens aus uns geworden? Was ist aus der Liebe des Anfangs geworden? Sind wir vielleicht umerzogen worden und sind die Wege der Macht und Unterdrückung gegangen? Spüren Sie in sich selbst nach, wie es ist, sich an Ihre Kindheit zu erinnern, wo Sie ganz aus der Liebe Gottes in diese Welt hineingekommen sind! Es kommt bei jedem Menschen vor, dass diese Liebe immer wieder verloren geht. Die Frage, liebe Gemeinde, ist: wer bin ich und wer will ich sein? Ich bin ein Gotteskind und ich bleibe ein Gotteskind. Wir sind eingeladen, immer wieder neu auf die Kindschaft zu schauen – auf das Kind in der Krippe und auf das eigene Kindsein, auf die eigene Reinheit, auf die eigene Liebe, auf das, was im Ursprung alles an Liebe in uns war. Und dann sollen wir unseren Weg gehen. Nehmen wir diejenigen Menschen mit, die uns Liebe schenken. Nehmen wir Gott mit, der die Liebe selbst ist. Dann wird unser Leben gelingen, da gelingendes Leben immer ein Leben in Liebe ist. Wer die Liebe findet, findet Gott.

Ihr Pastor

Thomas Laufmöller

unterwegs sein

Predigt zu Weihnachten
Lk 2,1-14
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