An den Tagen vor Christi Himmelfahrt nimmt Jesus Abschied von seinen Jüngern. Da sie in so tiefer Verbundenheit miteinander gelebt haben, wiegt dieser Abschied schwer auf allen Herzen. Jesus bereitet sie daher darauf vor, dass er in die Herrlichkeit des Vaters zurückkehrt. Wir wissen selbst, wie schwer ein solcher Abschied ist, wie weh es tut, wenn wir von geliebten Menschen Abschied nehmen müssen.

  • An welche Abschiede denken Sie besonders?
  • Welche Abschiede waren schmerzhaft?
  • Wie sind Sie mit diesen Abschieden umgegangen?
  • Was hat Ihnen weitergeholfen, das Leben erneut anzufassen und nach vorn zu schauen?

Wir müssen immer wieder Abschied von Menschen nehmen. Meistens sind es nur kurze Abschiede im Alltag, manchmal etwas längere, bei denen man aber bereits auf das Wiedersehen wartet. Es gibt aber auch Abschiede, die endgültig sind. Alles in dieser Welt ist vergänglich und wir sind nur eine Zeitlang auf der Erde. Es kommt daher in jeder Beziehung der Moment, in dem wir spüren, dass wir mit dem geliebten Menschen nicht mehr länger zusammen auf dieser Welt leben werden. Das ist eine der schwersten Erfahrungen des Lebens. Das loszulassen, was wir lieben, tut weh. Was bleibt, wenn die Stunde des Abschieds gekommen ist und wir loslassen müssen?

Hannes Wader singt in einem Lied: „dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war“. Wader fühlt sich wie ein steter Wanderer, der sich bewusst macht, dass er vielleicht morgen schon bei denjenigen vergessen ist, deren Wege er heute noch gekreuzt hat. In dieser Wahrnehmung liegt aber kein Bedauern, weil der Sänger sich sein Leben selbst gewählt hat. Lässt sich sein Erleben auf das Leben insgesamt übertragen? Bleibt letztlich nichts von dem, was war?

Das Neue im Tod und in der Auferstehung können wir erst lebendig machen, wenn wir erkennen, dass das, was war, endgültig vorbei ist. Sterben ist nicht so, als wenn wir einfach die Pferde wechseln und dann weiterreiten. Als wäre nichts Entscheidendes geschehen. Der Tod ist der schärfste Einschnitt im Leben und es bleibt danach nichts, wie es war. Was wir mit dem anderen zu leben als Menschen geschätzt und geliebt haben, ist unwiderruflich vorbei. Trotzdem bleibt etwas von dem, was wir zusammen erlebt haben. Wir spüren im Herzen, dass die Persönlichkeit des anderen über das irdische Leben hinaus Bestand hat.

Jesus hat seine Liebe in die Herzen der Jünger hineingelegt und diese Liebe hat auch nach seinem Tod Bestand. Wegen genau dieser Liebe sind die Jünger trotz ihrer Trauer aufgestanden, um seine Liebe zu verkünden. Im Herzen der Menschen ist etwas geblieben, so dass wir nach über 2000 Jahren die Botschaft Jesu weiterhin verkünden und uns im Gebet an ihn wenden. Von seinem Leben ist etwas geblieben, das uns bis heute nährt und Kraft gibt.

Wie können wir die Liebe weitergeben? Liebe ist immer mit einer Beziehung verbunden und liebende Beziehungen lernt man am besten bereits in der Kindheit kennen. Bei Taufgesprächen sage ich den Eltern, dass sie ihr Kind niemals genug lieben können. Wenn Kinder die Erfahrung machen, dass sie unendlich geliebt werden, entwickeln sie ein Urvertrauen, das sie durch das Leben trägt. Sie wissen, dass sie ihren Eltern zutiefst vertrauen können. Sie leben in lebendiger Gemeinschaft mit ihnen und können im Laufe der Jahre eine Beziehung auf Augenhöhe entwickeln, in der man sich gegenseitig wertschätzt. Eltern und Kinder treten im Idealfall immer wieder neu in Beziehung, in der die Kinder wissen, dass sie sich auf ihre Eltern verlassen können. Wenn diese sagen, dass sie gleich wiederkommen, wissen die Kinder, dass dies auch geschehen wird. Die Erschütterungen in der Liebe sind tief, wenn Eltern das nicht ernst nehmen. Ein Teil des kindlichen Urvertrauens bricht weg. Natürlich gehören auch solche Erfahrungen zum Leben dazu. Diese Erschütterungen in der Liebe sind immer Erschütterungen im Glauben. Beiden ist das Vertrauen wesenhaft – das lateinische ‚fides‘ bedeutet ‚Glauben‘ und ‚Vertrauen‘.

Wenn ich als Lehrer einem Kind eine schlechte Note geben muss, muss ich es in besonderer Weise begleiten und ihm aufzeigen, wie es die Sache besser machen kann. Wenn ich möchte, dass das Leben dieses Kindes gelingt, dass es Kraft und Zuversicht findet, muss ich ihm diese Zugeneigtheit schenken. Liebe ist immer zugeneigt.

Auf einer Kommunionfeier hörte ich eine Tante des Kommunionkindes beim Mittagsgebet sagen, dass das Kind nicht einmal das Kreuzzeichen richtig beherrscht. Ich bin hinterher auf die Tante zugegangen und habe ihr gezeigt, wie viel Liebe in diesem Kind ist, wie dankbar es ist, wie gut es mit seinen Eltern und Geschwistern umgeht. Warum dann den Blick auf das Äußerliche lenken? Wir lesen bereits bei Paulus, dass es im Glauben darum geht, das Innere groß zu machen, aus einer inneren Haltung heraus zu glauben. Natürlich kann man das Kreuzzeichen üben, aber wichtiger ist das innere Wesen eines Menschen. In der Heiligen Schrift steht nirgendwo, dass Jesus ein Kreuzzeichen gemacht hat. Was wir hingegen lesen, ist, dass er die Menschen unendlich geliebt hat und immer wieder in Beziehung zu ihnen getreten ist. Er hat die Botschaft des Friedens gebracht, die wir als innere Haltung übernehmen dürfen. Das Wesentliche des Glaubens besteht somit nicht im Auswendiglernen bestimmter Glaubenssätze, sondern in einer Glaubens- und Liebesgemeinschaft mit Jesus und den Menschen.

In der Stunde des Abschiedes können die Worte Jesu eine große Hilfe sein. Das Schöne an ihnen ist, dass sie Hinweise sind und keine Anweisungen. Die Kirche hat oft mit Druck gearbeitet und sich an Äußerlichkeiten festgemacht. Aber sollte sie nicht vielmehr einladend sein? Jesus möchte uns auf einen Weg der Liebe hinweisen. Er schickt uns mit dem Versprechen auf diesen Weg, dass er wiederkommen wird. So wie die Kinder wissen, dass ihre Eltern wiederkommen werden, so können wir auf Jesu Worte vertrauen. Das kann eine kraftgebende Liebe in uns gründen. Natürlich wird Jesus nicht auf dieselbe Weise wiederkommen, denn seine Lebenszeit ist vor über 2000 Jahren zu Ende gegangen. Sein Wiederkommen ist vielmehr als geistliches Geschenk zu verstehen. Es ist nicht äußerlich fühlbar und geht über all unsere Sinne hinaus. Was er gelehrt und gelebt hat, ist sein Geschenk und dieses Geschenk dürfen wir in unseren Herzen groß machen. Als dieses Geschenk ist er gegenwärtig, ist er da! Damit verwirklicht er den Namen Jahwes, den Mose am brennenden Dornbusch gehört hat: ‚Ich bin da‘. Ich wünsche mir, dass wir als Gläubige ein Urvertrauen spüren, das uns die Gegenwart Jesu mitten unter uns offenbart.

Der Auferstandene ist der Lebendige, weil die Liebe die Grenzen des Todes sprengt. Sie ist stärker als der Tod. Wir haben von Gott eine Sehnsucht nach nie endender Liebe ins Herz gelegt bekommen. Wir sehnen uns danach, dass der verstorbene Geliebte noch lebt. Wie könnte Gott uns diese Sehnsucht geschenkt haben, wenn er sie nicht verwirklicht? Es muss seine Sehnsucht sein, dass unsere Sehnsucht erfüllt wird. Sonst könnte Gott nicht die Liebe sein. Ich hoffe daher, dass wir in den Abschieden des Lebens die Gegenwart des anderen spüren und durch diese gegenwärtige Liebe eine Kraft und eine Zuversicht erlangen, die uns durch die Schwere des Abschieds tragen.

Was bleibt?

6. Sonntag der Osterzeit

Joh 14,23-29

Euer / Ihr Pastor

Thomas Laufmöller

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