Diese Welt ist vergänglich. Nichts in ihr bleibt ewig. Sie ist von Katastrophen erfüllt, die von Menschen ausgelöst wurden. Das menschliche Wesen verändert sich nicht und darum wird es immer Katastrophen geben. Menschliches Leben wird vergehen. Wir müssen ein Leben lang lernen, Abschied zu nehmen. Die Lebensuhr tickt und sie kommt immer näher an das Ende unseres Lebens heran. Irgendwann wird die Zeit geliebter Menschen abgelaufen sein; irgendwann wird auch unsere Zeit abgelaufen sein. Damit müssen wir umgehen. Es ist schmerzhaft, wenn wir uns von Menschen lösen müssen, mit denen wir den Alltag gelebt und die wir unendlich geliebt haben.

Am Ende des Kirchenjahres konfrontiert uns die Bibel mit vielen apokalyptischen Bildern, die uns die Vergänglichkeit der Welt und des Lebens sehr intensiv beschreiben. Hungersnöte brechen aus, Erdbeben und Seuchen richten Schaden an, eine Orgie der Gewalt trifft die Menschen, der Tempel wird zerstört. Lukas berichtet, dass Jesus dies für das Ende der Zeiten ankündigt. Wie kann dieser Gewaltlose solche Gewalt prophezeien? Wie ist dies zu erklären?

Das älteste Evangelium ist das Markusevangelium. Es wurde vor dem Jahr 70 n. Chr. geschrieben, also zu der Zeit, als der Krieg zwischen den Juden und den Römern viel Zerstörung hervorbrachte. Markus beschreibt in seinen apokalyptischen Bildern keine Visionen der Zukunft, sondern die Realität der Gegenwart. Die Gewalt seiner Beschreibungen spiegelt das damals aktuelle Erleben der Menschen wider. Am Ende dieses Krieges fällt der Tempel und damit das Herzstück des Judentums. Lukas hat sein Evangelium zwar etwas später als Markus geschrieben, ihm lagen die Texte des Markus aber als Vorlage vor. Er hat dessen apokalyptische Motive übernommen. Auf den ersten Blick sagt auch er den Menschen ein furchtbares Ende durch die Worte Jesu voraus. Wenn wir tiefer in das Evangelium schauen, wird deutlich, dass Jesus im Grunde aber ein ganz anderes Bild für uns gemalt hat.

Werfen wir daher einen genaueren Blick auf das Lukasevangelium. Der Evangelist schaut zuerst auf das Äußere des Tempels, vor allem auf die glitzernden Steine. Natürlich war den damaligen Menschen der Tempel als Ort der Gegenwart Gottes wichtig, aber genauso war der Tempel – wie die großen Kathedralen des Mittelalters – Ausdruck von Macht- und Prachtentfaltung. Kirchen wurden mit den Jahrhunderten immer mehr zu Orten, an denen gewisse Menschen über anderen Menschen standen. Priester waren und sind befugt, anderen Menschen ihre Sünden zu vergeben. Wie viel Unheil ist entstanden, wenn sie dabei mit der Angst der Menschen gespielt haben! Je mehr Angst manche Priester bei der Beichte erwecken konnten, desto leichter war es ihnen, die Beichtenden zu manipulieren. Wenn ein Priester ihnen vermitteln konnte, dass sie böse Menschen sind, während er selbst imstande ist, sie von ihrer Bosheit zu befreien, wurde er in einen gottgleichen Stand erhoben. Bis heute sind Menschen unsicher, weil Priester dies oftmals brutal ausgenutzt haben.

Ähnliche Folgen zeugt der Umgang mit dem Missbrauch, bei dem weniger die Herzen der Betroffenen als vielmehr der Schutz der Täter und der Kirche in den Mittelpunkt gestellt wurden. Viel Unheil ist dadurch entstanden und entsteht weiterhin. Erst Jan Hus und Martin Luther versuchten, diese Struktur aufzubrechen, indem sie auf die Notwendigkeit menschlicher Vermittler verzichtet und sich gegen die oben beschriebenen Priester ausgesprochen haben. Im Grunde wurde diese Art von Kirche aber schon von Jesus verworfen. Denn auch im Lukasevangelium wird der Tempel zerstört.

Als zweites schaut Lukas auf die Situation in den Familien der damaligen Zeit, in denen sich das Kriegsgeschehen widergespiegelt hat. Eltern und Geschwister, andere Verwandte und Freunde werden aus Glaubensgründen gegen Familienmitglieder vorgehen und ihr Leben zu zerstören versuchen. Und tatsächlich haben sich Familien damals entzweit, weil sie plötzlich teils jüdisch und teils christlich waren und dies nicht mit Toleranz tragen konnten. Christen wurden aus ihren jüdischen Familien ausgestoßen. Finden wir Ähnliches nicht auch in der Gegenwart, wenn Menschen für ihre Wahrheit einstehen? Werden sie nicht immer noch dafür belangt? Ich denke hier beispielsweise an die Widerstandskämpfer des Dritten Reiches, deren Namen sich heute in vielen Straßenbezeichnungen der Aaseestadt finden. Es gibt u.a. eine Delpstraße, eine Bonhoefferstraße, eine Von-Stauffenberg-Straße, eine Geschwister-Scholl-Straße. Diese Widerstandskämpfer sind gegen das Unheil und für die Liebe aufgestanden. Dafür wurden sie von den Mächtigen klein gemacht und ermordet. Auch Jesus musste dieses Schicksal am Kreuz erleiden, weil er die Liebe gelebt hat.

Wenn wir uns dies vor Augen führen und das Lukasevangelium in seiner Ganzheit betrachten, so wird deutlich, was Jesus wirklich über das Ende der Welt und des Lebens gesagt hätte. Am Ende steht die Liebe. Am Ende des Lebens erwartet den Menschen eine Christus-Begegnung, gewissermaßen eine liebende Umarmung, die er uns schenken möchte. Auch wenn wir alle Abgründe in uns tragen, kommt Christus auf uns zu. Wir werden mit unserer ganzen Wahrhaftigkeit vor ihm stehen und nichts wird verloren gehen. Auch unsere dunklen Seiten werden uns und ihm sichtbar sein. Dann wird Christus tief in unser Herz schauen und fragen, wie wir zu unseren Abgründen gekommen sind, wer sie in unser Herz gelegt hat, was wir in unserem Leben von der Kindheit an erleben mussten, um zu denen zu werden, die wir geworden sind. Seine Umarmung wird ehrlich, aber liebevoll sein, weil er der Heiland ist und uns heil machen möchte.

Wir Menschen sind eingeladen, nicht bis zum Ende unseres Lebens auf diese Christusbegegnung zu warten, sondern schon jetzt Gottsuchende zu werden und ihm in unserer dürstenden Suche hier und heute zu begegnen. Aus dieser Begegnung heraus können wir versuchen, unsere Welt liebevoller zu gestalten. Bitten wir Christus daher, dass er unser Herz nach seinem Herzen formt, und tun wir unser Möglichstes, an dieser Formung mitzuwirken.

Was kommt am Ende?

33. Sonntag im Jahreskreis

Lk 21,5-19

Euer / Ihr Pastor

Thomas Laufmöller

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